Rechtsaufsichtsbeschwerde
11.05.2021
Rechtsaufsichtsbeschwerde über den rechtswidrigen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Königs Wusterhausen über die Gültigkeit des Bürgerentscheides über die Abwahl des Bürgermeisters Swen Ennullat am 07.03.21
Sehr geehrte Frau Starke,
die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Königs Wusterhausen tagte am 10.05.21, um unter TOP 9.1 über die Gültigkeit des Bürgerentscheids über die Abwahl des Bürgermeisters vom 07.03.21 zu entscheiden. Gegen die Gültigkeit dieses Bürgerentscheides hatten u. a. auch wir Einspruch erhoben und wollten in dieser Sitzung antragsgemäß von unserem Anhörungsrecht gemäß § 56 Abs. 2 BbgKWahlG Gebrauch machen (siehe Anhang 1 und 2).
Die Wahlleiterin, Frau Zellner, hatte der Stadtverordnetenversammlung ihre Prüfungsergebnisse der Wahleinsprüche mit einer jeweiligen Beschlussempfehlung "nicht zulässig" oder "zulässig, aber unbegründet" der SVV vorgelegt. Die Wahleinsprüche waren im SessionNet der Stadt nicht zugänglich, wohl aber die summarische "Beschlussempfehlung" (siehe Anhang 3) der Wahlleiterin (32 Seiten).
Alle Beschlussempfehlungen "zulässig, aber unbegründet" enthalten die Formulierung: "Die Begründung ist insoweit nicht substantiiert vorgetragen, um eine Prüfung vornehmen zu können. Es handelt sich hierbei ausschließlich um nicht nachgewiesene Behauptungen des Einspruchsführers. Das Wahlprüfungsorgan, hier die Stadtverordnetenversammlung, kann jedoch nur anhand konkret benannter Vorgänge eine Prüfung durchführen."
Eine Anhörung von Einspruchsführern im Wahlprüfungsausschuss, in der sie ihre Einwände wegen manipulativer Wahlbeeinflussung (Lügen, Halbwahrheiten, persönliche Diffamierungen und Diskreditierungen etc. des Herrn Ennullat) hätten mündlich belegen können, fand nicht statt. Die Wahlleiterin und der Wahlprüfungsausschuss hatten also Einwendungen, die bei der Entscheidung der SVV und in einem eventuellen gerichtlichen Verfahren von Belang sein können, inhaltlich im Einzelnen überhaupt nicht geprüft, sondern pauschal ohne nähere Untersuchung als „unsubstantiiert vorgetragene Behauptungen“ gewertet und sie als solche in die zusammenfassende Stellungnahme der Wahlleiterin einfließen lassen.
Die Wahlleiterin und der Wahlprüfungsausschuss hatten weder mündlich noch schriftlich Einspruchsführer nach Erhalt der schriftlichen Wahleinsprüche aufgefordert, ihre Einsprüche „anhand konkret benannter Vorgänge“ jeweils im Einzelnen zu belegen.
Wir sind selbstverständlich davon ausgegangen und konnten auch davon ausgehen, dass wir als Einspruchsführer in der Anhörung unter TOP 9.1 der SVV unsere Einwände mit entsprechenden Zitaten z. B. aus der "Bündnis 21"-Zeitung, aus "Bündnis 21"-Flyern etc. mündlich belegen können. Wir hatten schließlich die SVV-Vorsitzende Lazarus und die Wahlleiterin mit Mail vom 28.04.21 und einer weiteren Mail vom 02.05.21 gebeten, uns das Procedere der SVV-Sitzung vom 10.05.21 mitzuteilen (Anhang 2). Es erfolgte keine Antwort, auch keinerlei Hinweis darauf, dass die Anhörungszeit auf drei Minuten begrenzt werden würde.
Wir wurden deshalb durch den rechtswidrigen SVV-Beschluss, die Anhörungsdauer je Einspruchsführer auf drei Minuten zu begrenzen, völlig überrascht. Es ist doch absolut klar, dass eine Einspruchsbegründung mit detaillierten Belegen zu jedem einzelnen manipulativen Vorgang vor dem Bürgerentscheid in einem Zeitraum von nur drei Minuten von Anfang an unmöglich ist. Schließlich muss ja im Einzelnen nachgewiesen werden,
• dass Herr Ennullat vor dem Bürgerentscheid mit Un- und Halbwahrheiten öffentlich diffamiert und diskreditiert worden war,
• dass es dem „normalen“ Bürger nicht möglich gewesen war, sich wegen dieser Diffamierungs- und Diskreditierungskampagne des „Bündnisses 21“ objektiv eine eigene Meinung bilden zu können und
• dass eine Abwehr dieser persönlichen Diffamierungen und Diskreditierungen im Rahmen eines „normalen“ Wahlkampfes und/oder durch persönliche Erklärungen des Herrn Ennullat ausgeschlossen war.
Die Zeitdauerbegrenzung der Anhörung gemäß § 56 Abs. 2 BbgKWahlG auf drei Minuten auf der Grundlage eines SVV-Beschlusses ist ein äußerst gravierender Rechtsbruch der Stadtverordnetenversammlung. Gleichermaßen gravierend ist der Rechtsbruch, dass Einwände gegen den Bürgerentscheid nicht schon im Vorfeld der SVV-Sitzung und auch nicht im Rahmen der SVV-Sitzung am 10.05.21 mit der gebotenen Sorgfalt und Unparteilichkeit geprüft worden sind.
Eine Gemeindevertretung hat prinzipiell nicht das Recht, über die Zeitdauer einer Anhörung zu entscheiden. § 56 Abs. 2 BbgKWahlG sieht eine derartige Zeitbegrenzung aus naheliegenden Gründen selbstverständlich nicht vor. Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung am 10.05.21, die Anhörung auf drei Minuten zu begrenzen, war folglich rechtswidrig.
Offenbar muten Wahlleiterin, Wahlprüfungsausschuss und Stadtverordnetenversamm-lung dem Bürger zu, bereits seinen Wahleinspruch im Detail schriftlich ausführlichst zu belegen. Angesichts der belegbaren Vielzahl der manipulativ eingesetzten Unwahrheiten, Halbwahrheiten, Diffamierungen und Diskreditierungen des Herrn Ennullat in der „Propagandaschlacht“ des „Bündnisses 21“ vor dem Bürgerentscheid dürfte der Umfang eines derartigen schriftlichen Wahleinspruchs immens sein. Das kann von einem "normalen" Bürger nicht verlangt werden, schließlich hat er zwingend das Recht, auf Antrag hin angehört zu werden. In der Anhörung kann der Einspruchsführer anhand von Zitaten, Fotos o. ä. seine Einwände spezifisch mündlich belegen. Dieses Recht gemäß § 56 Abs. 2 BbgKWahlG hat die Stadtverordnetenversammlung dem Bürger mit ihrem rechtswidrigen Beschluss einer Anhörungs-Zeitbegrenzung genommen.
Zudem haben es die Wahlleiterin, der Wahlprüfungsausschuss und die SVV rechtswidrig unterlassen, vor der Entscheidung über die Gültigkeit des Wahlergebnisses (hier des Bürgerentscheids) die Einwände der Einspruchsführer im Einzelnen sachlich und unparteiisch umfassend und sorgfältig zu prüfen. Stattdessen wurden alle „zulässigen, aber unbegründeten“ Einwände pauschal als „unsubstantiiert vorgetragene Behauptungen“ gewertet. Dieser Beschlussempfehlung der Wahlleiterin folgte die Stadtverordnetenversammlung. Zwar stimmte sie über jeden Wahleinspruch gesondert ab, aber immer fußend auf der pauschalen Begründung, die Behauptungen des Einspruchsführers seien „unsubstantiiert“ vorgetragen. Ein unmittelbarer Bezug auf den jeweiligen individuellen Einspruch und eine spezifische Prüfung der vorgetragenen Einwände erfolgten in keinem Fall.
Der SVV-Beschluss vom 10.05.21, der Bürgerentscheid sei gültig, ist daher grob rechtswidrig. Wir und andere Einspruchsführer sind nicht bereit, auf unser Anhörungsrecht zu verzichten. Eine „Anhörung in einem Zeitraum von drei Minuten“ ist noch nicht einmal im Ansatz eine solche im Sinne des Gesetzes. Das haben wir ausdrücklich der Stadtverordnetenversammlung erklärt und vorsorglich darauf hingewiesen, dass ein rechtswirksamer Beschluss über die Gültigkeit des Wahlergebnisses deshalb nicht getroffen werden könne. Wir haben dann diese geradezu groteske Theatervorstellung einer Stadtverordnetenversammlung unter Protest verlassen.
Die Stadtverordnetenversammlung hat trotzdem die Gültigkeit des Bürgerentscheid-Ergebnisses beschlossen.
Wir bitten daher, umgehend dafür Sorge zu tragen, dass dieser SVV-Beschluss wegen grober Rechtswidrigkeit aufgehoben wird. Ferner bitten wir um Veranlassung, dass alle Wahleinsprüche unverzüglich mit der gebotenen Sorgfalt unparteiisch sowohl durch die Wahlleiterin und den Wahlprüfungsausschuss als auch durch die Stadtverordnetenversammlung jeweils im Einzelnen geprüft werden.
Die Angelegenheit ist äußerst eilbedürftig, da auf Beschluss der SVV am 04.07.21 ein neuer Bürgermeister gewählt werden soll. Eine Neuwahl kann nach unserer Rechtsauffassung aber nicht durchgeführt werden, solange an der Gültigkeit des Bürgerentscheids weiterhin berechtigte Zweifel in erheblichem Umfang bestehen. Absolut rechtswidrige Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung –wie die vom 10.05.21- können nichts an dieser Sachlage ändern.
Mit freundlichen Grüßen
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